Wie meine Zahnärztin die Diagnose Morbus Crohn stellte

zahnbürste

Eine Zahnärztin stellt die Diagnose Morbus Crohn? Zugegebenermaßen klingt das ziemlich ungewöhnlich, doch in meinem Fall war das das Beste, das mir passieren konnte. Warum? Weil viele Menschen mit chronischer Darmentzündung erst nach Jahren die passende Diagnose erhalten und entsprechend therapiert werden, wenn die Symptomatik nicht richtig erkannt wird. In meinem Fall war das etwas anders:

„Ohne Untersuchung lasse ich Sie nicht nach Hause…“

Nachdem die ersten Symptome aufgetreten sind, wurde ich von meinem Hausarzt sofort zur gastroenterologischen Ambulanz überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt glaubte man noch an eine akute Darmentzündung und wollte schnellstmöglich die Ursache abklären.

Als die zuständige Ärztin mir kurz und knapp erklärte, dass ich heute sicher nicht mehr nach Hause fahren und sie morgen früh gleich eine Magen- und Darmspiegelung machen würden, fühlte ich mich mehr als unverstanden. Schließlich hatte ich meiner Meinung nach nur etwas schlechtes gegessen und nahm an, dass man mich mit Magen-Darm Tropfen nach Hause schicken würde.

Insgesamt fühlte ich mich im Krankenhaus recht fehl am Platz, denn um mich herum sag ich nur alte, gebrechliche Menschen oder Patienten mit akuten Verletzungen, die sicherlich dringender behandelt werden mussten wie ich. Also wieso bekam ich nicht endlich mein Rezept und wurde nach Hause geschickt?

Etwas genervt teilte ich der gestressten Ärztin schließlich mit, dass ich weder eine Magen- noch eine Darmspiegelung benötigen und auch ganz sicher nicht über Nacht im Krankenhaus bleiben würde. Aus den Augenwinkeln sah ich noch einen letzten genervten Blick, bevor sie mit einem trockenen „Moment“ den Raum verließ.

Nach 5 Minuten kam sie mit Unterstützung eines ernst blickenden Oberarztes zurück, der mir sehr bestimmt mitteilte, dass die Lage sehr ernst wäre und sie mich ohne Untersuchung nicht nach Hause lassen würden. In diesem Moment erkannte ich, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich verstand nicht was mit mir passierte… fing an zu schluchtzen… worauf von einem Moment auf den anderen die Härte aus seinem Gesicht wich und er mir einfühlsam über den Arm streichelte, während er sich Mühe gab mich zu beruhigen.

„Chronisch bedeutet für immer, verstehen sie das doch endlich!“

Im Nachhinein muss ich schmunzeln bei dem Gedanken, dass mich so eine Routineuntersuchung wie eine Darmspiegelung zu Tränen rühren konnte. Aber aus der damaligen Sicht war es natürlich verständlich, dass mich die ganze Situation überforderte.

Die Ergebnisse der Darmspiegelung waren letztendlich uneindeutig, sodass mich der nette Oberarzt an einen anderen Gastroenterologen überwies. Dort blieb ich allerdings nicht lange, denn die Arzt und Weise wie dieser Arzt seine Patienten behandelte war mir äußerst suspekt. Die dort empfohlene, ambulante Enddarmspieglung lehnte ich diesmal konsequent ab und war nach den unklaren Ergebnissen des Krankenhausaufenthaltes wieder steif und fest von meiner Lebensmittelvergiftungstherorie überzeugt. Also überredete ich diesen Arzt mir ein Breitbandantibiotikum zu verschreiben, das meiner Meinung nach diesem ganzen Drama ein Ende setzen würde.

Als nach 2 Wochen immer noch keine Besserung eintrat, kehrte ich geknickt in seine Praxis zurück und willigte in die ohne Narkose durchgeführte Enddarmspieglung ein. Aufgrund der schweren Entzündung hatte ich dabei unbeschreibliche Schmerzen und kann nicht wirklich nachvollziehen, warum dieser Arzt die Untersuchung nicht abgebrochen hat. Statt einfühlsamer Worte bekam ich zu hören, dass „ich mich bitte nicht so anstelle solle“.

Nach dieser Tortur lautete seine Diagnose schließlich chronische Darmentzündung – Colitis Ulcerosa. Er verschrieb mit Cortison und schickte mich nach Hause. Unverständnis, Fassungslosigkeit und schließlich Verzweiflung. Ich erinnere mich noch, dass sich der Moment, in er das Wort „chronisch“ aussprach , einfach surreal, wie ein Traum anfühlte. In den folgenden Gesprächen forderte er mich immer wieder dazu auf, die Krankheit endlich anzunehmen, denn „chronisch bedeutet für immer, verstehen sie das doch endlich!“.

Wenn sich die Welt zu schnell weiterbewegt

Aber nein, ich verstand nicht, wie konnte ich auch? Ich war 23 Jahre jung, führte einen gesunden Lebensstil, machte viel Sport, ernährte mich ausgewogen und war auf dem gefühlten Höhepunkt meines Lebens. Die direkte, unsensible Art des Arztes mit seinen mehr als persönlichen Fragen zu meinem Liebesleben war mir schließlich immer unsympathischer, sodass ich nach einigen Wochen endlich zu einer anderen Praxis wechselte.

Hier behandelte man mich schließlich wesentlich einfühlsamer und zeigte Verständnis für meine Erkrankung. Doch auch hier bestätigte man mir die Diagnose Colitis Ulcerosa, da mein Dickdarm seit Monaten entzündet war. Man erhöhte die Cortison Dosis, da ich nach einer kurzfristigen Besserung sofort einen Rückschlag erlitt und schickte mich wieder nach Hause. Doch die Lebensqualität wurde immer schlechter und die Symptome nahmen drastisch zu. Erst einige Monate sollte die neue Diagnose einen Wendepunkt bedeuten.

Die überraschende Erkenntnis meiner Zahnärztin

Mit starken Schmerzen – ich konnte aufgrund der Entzündungen im Mund kaum noch essen – schleppte ich mich mit großer Anstrengung die unzähligen Treppen hinauf zu meiner Zahnärztin. Bereits bevor ich das erste mal den Mund öffnete, sah sie mir an, dass etwas nicht stimmte. Als sie schließlich die von Apthen und Entzündungen übersäte Mundhöhle betrachtete, erhärtete sich ihr Verdacht. [1] Nachdem ich ihr von der chronischen Colitis erzählte, bat sie mich darum, Gewebeproben entnehmen zu dürfen, die sie dann ins Labor schicken würde.

Bei dem nächsten Termin eine Woche später lag das Laborergebnis vor. Sie erklärte mir sehr behutsam, dass sie ihre Doktorarbeit vor 10 Jahren über Morbus Crohn geschrieben habe und das Labor konnte anhand der Gewebeprobe ihre Diagnose bestätigen. Sie empfahl mir eine sehr gute Spezialklinik für chronische Darmerkrankungen, in der ich bis heute in Behandlung bin.

[1]  Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (2013): Aphthen und aphtoide Läsionen der Mundschleimhaut: Diagnostik und Therapieoptionen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert